Datenschützer laufen Sturm gegen das neue Meldegesetz, dass vom Bundestag unbemerkt beschlossen wurde.
57 Sekunden dauerte es am 28. Juni, bis eines der umstrittensten Gesetzesvorhaben der letzten Wochen durch den Bundestag gewinkt war: das Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens. Fünf Minuten zuvor war am Abend das EM-Halbfinalspiel Deutschland gegen Italien angepfiffen worden, nur wenige Abgeordnete saßen im Plenum, die Reden wurden zu Protokoll gegeben. Die Neuregelungen würden es Meldeämtern erlauben, persönliche Daten von Bürgern an Firmen und Adresshändler weiterzugeben.
Thilo Weichert, der Leiter des unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz in Schleswig-Holstein, sprach gar von "gesetzlichem Wahnsinn". Das neue Recht ermögliche "den privaten Handel mit vom Staat zwangsweise erhobenen Daten in großem Stil", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Der bayerische Datenschutzbeauftragte Thomas Petri bezeichnete den Zugriff auf staatliche Daten als "unsäglich".
Die Kritik entzündete sich an Paragraf 44 des neuen Bundesmeldegesetzes, das nach der Föderalismusreform die bisherigen Landes- und Bundesregelungen zusammenfasst. Der Paragraf ermöglicht es Adresshändlern, Inkassofirmen oder der Werbewirtschaft, umfassend Daten aus den amtlichen Registern abzugreifen.
Quelle: BMO/dpa/nbo