Lobbyisten "bearbeiten" EU-Datenschutz-Verordnung

5000 Änderungs-Vorschläge haben Firmen für die neue Verordnung. Bürgerrechtler und Politiker sehen den Datenschutz gefährdet.

Zu der im Jänner 2012 von der EU-Kommission vorgelegten Datenschutz-Verordnung sind bisher an die 5000 Änderungsanträge eingegangen. Vor allem US-Firmen traten an Abgeordnete für eine Aufweichung der Regeln heran. Dies ruft Bürgerrechtlicher und einige EU-Parlamentarier auf den Plan. Bürger sollten wissen, was mit ihren Daten geschieht und einer allfälligen Weiterverarbeitung explizit zustimmen müssen, fordern sie.

In den Augen des SPÖ-EU-Abgeordneten Josef Weidenholzer sind bei Verstoß auch Sanktionen nötig. "Sonst sind die Regelungen nicht brauchbar", sagte er am Donnerstag in Brüssel. Der Schutz der Privatsphäre und die Interessen von Unternehmen stünden nicht im Widerspruch. "Wenn die User mehr Klarheit über ihre Daten bekommen, steigt das Vertrauen in die Firmen."

 

Eskalierte Facebook-Parties verhindern

 

 

Die niederländische Grün-Mandatarin Judith Sargentini - ihr deutscher Kollege Jan Philipp Albrecht ist Berichterstatter im federführenden Innenausschuss des EU-Parlaments - machte darauf aufmerksam, dass das Thema Datenschutz vielerlei Bereiche betreffe, von Cloud Computing bishin zur Aufzeichnung von Fluggastdaten oder Facebook. Sie erinnerte an den Fall einer 16-Jährigen, die via Facebook - öffentlich - zu einer Geburtstagsparty eingeladen hatte. Tausende junge Leute tauchten auf und es kam zu massiven Ausschreitungen in einer kleinen niederländischen Stadt. "Das war eine Lehre", so Sargentini. Private Daten sollten erst nach expliziter Zustimmung der Betroffenen an die Öffentlichkeit geraten, nicht umgekehrt.

 

Facebook und Co. seien gut darin, die Wünsche der User zu missachten, so Joe McNamee von der Initiative European Digital Rights (EDRi), die am Donnerstag eine Online-Kampagne gegen die Aufweichung der Datenschutzverordnung startete (nakedcitizens.eu). Grundlegende Rechte dürften nicht von großen Firmen ausgehöhlt werden, sagte er.

 

Die meisten Änderungsanträge zugunsten von Unternehmen seien im EU-Parlament von konservativen und liberalen Abgeordneten eingebracht worden. Laut EDRi wird damit versucht, die benötigte Zustimmung zur Weiterverarbeitung von Daten durch die Betroffenen zu untergraben; Firmen sollte es so erleichtert werden, ein Profil ihrer Kunden zu erstellen, ohne dass diese davon etwas mitbekommen. Die Bürgerrechtler wehren sich auch gegen Forderungen, die Anonymisierung oder Pseudonymisierung von Daten zu erlauben. Es sei nämlich technisch sehr wohl möglich, im Nachhinein Rückschlüsse auf eine einzelne Person zu ziehen.

 

Hinter all diesen Änderungsanträgen stecken EDRi zufolge vor allem US-Technologiefirmen, die US-Regierung und die Werbeindustrie. Es gebe nachgerade einen Lobbyingsturm.

 

"Kann nicht jedes Geschäftsmodell beachten"

 

 

Gefragt nach dem Druck aus den USA meinte Sargentini: Der Berichterstatter Albrecht höre prinzipiell jeden an, mittlerweile seien es aber zu viele Firmen, die mit ihm sprechen wollten. "Man kann nicht jedes digitale Geschäftsmodell berücksichtigen."

 

Nach Angaben der Parlamentarier soll sich der zuständige Bürgerrechts- und Innenausschuss im Juni mit der Datenschutzverordnung, ein Konvolut von 91 Artikeln, befassen. Die Deutsche Linke Cornelia Ernst hofft, das ganze noch heuer über die Bühne zu bringen. Die neue Datenschutzverordnung soll eine Richtlinie aus dem Jahr 1995 ablösen.

(APA)

 

Quelle: diepresse.com