Hat Whistleblower Snowden noch mehr zu enthüllen? Das will das Europaparlament ihn am 18. Dezember persönlich fragen. Unklar ist allerdings, wie sein Aufenthaltsort trotz Anhörung geheim bleiben soll.
Berlin wollte ihn nicht anhören, jetzt wird der NSA-Whistleblower Edward Snowden wahrscheinlich vor dem Europaparlament aussagen – per Video. Am Freitagmorgen einigten sich die Fraktionen im Europaparlament auf neun Fragen, die sie Snowden stellen wollen.
Die ersten beiden Fragen beschäftigen sich mit der persönlichen Situation Snowdens: "Wie geht es Ihnen? Können wir Ihnen helfen?" Die Fragen drei und neun sind die heikelsten von allen: "Sind noch weitere wichtige Enthüllungen zu erwarten oder ist im Wesentlichen schon alles veröffentlicht worden? Ist Ihnen bekannt, ob die von der NSA gesammelten Daten nur zu Bekämpfung des Terrorismus oder auch für andere Zwecke (Industriespionage, Steuerauskünfte, Anklagen) verwendet wurden?"
Frage vier der Abgeordneten lautet: "Die Reaktion der US-Administration auf Ihre Enthüllungen war, dass Sie einige Informationen nicht korrekt interpretiert hätten – was sagen Sie dazu?"
Die Fragen fünf bis sieben sind eher allgemeiner politischer Natur: "Geschieht Massenüberwachung aus Gründen der nationalen Sicherheit? Wie wird sich die Massenüberwachung in den kommenden Jahren entwickeln? Was empfehlen Sie, um die Massenüberwachung zu verhindern oder zumindest besser zu kontrollieren?" Mit Frage acht wollen die Abgeordneten wissen, wie viel Snowden darüber bekannt ist, inwieweit möglicherweise die nationalen Geheimdienste beim Ausspähen von Mails und Telefonaten involviert sind.
Gefährliche Anhörung
Snowden soll vor den Abgeordneten des Innen- und Justizausschusses aussagen. Das Verfahren ist kompliziert, weil der NSA-Whistleblower Russland derzeit nicht verlassen kann, ohne Gefahr zu laufen, von den US-Behörden aufgegriffen zu werden. Auch eine Live-Anhörung per Video dürfte es nicht geben. "Die Gefahr, dass der Aufenthaltsort von Herrn Snowden in diesem Fall von den Amerikanern geortet werden kann, ist zu groß", hieß es im EU-Parlament.
Snowden soll voraussichtlich in einer zuvor aufgezeichneten Videobotschaft antworten. Nach Angaben von Jan Philipp Albrecht, dem innen-und justizpolitischen Sprecher der Grünen, kann die Videoübertragung aus organisatorischen Gründen frühestens am Vormittag des 18. Dezember stattfinden.
Das Datum ist brisant: Sollte Snowden näher auf Frage drei der Abgeordneten eingehen und die Gelegenheit für weitere Enthüllungen nutzen, so dürfte dies auch beim Treffen der 28 EU-Staats- und Regierungschefs einen Tag später in Brüssel eine Rolle spielen.
Viele Detailfragen noch ungeklärt
Noch ist aber nicht ganz sicher, dass Snowden am Ende auch wirklich aussagen wird. In den kommenden Tagen dürften noch viele Detailfragen zu klären sein, hieß es in Brüssel. Albrecht ist aber überzeugt, dass der Enthüller des NSA-Skandals die Fragen der Abgeordneten beantworten wird.
"Es ist ein großer Erfolg des Europäischen Parlaments, dass Edward Snowden sich als zentraler Zeuge im Überwachungsskandal bereit erklärt, dem Europäischen Parlament gegenüber öffentlich auszusagen." Sechs Monaten nach den ersten Enthüllungen gebe es immer noch keine Konsequenzen für die politisch Verantwortlichen, beklagte Albrecht: "Diese muss das Europäische Parlament nun einfordern."
In Teilen des EU-Parlaments wurde kurzfristig auch erwogen, dass der Innenausschuss nach Russland reisen soll, um Snowden vor Ort anzuhören. Diese Idee wurde aber schnell wieder verworfen – offiziell aus Kostengründen, aber auch politische Überlegungen dürften dabei eine wesentliche Rolle gespielt haben.
Quelle: welt.de